Fachkräftemangel in der Pflege
Ohne Fachkräfte aus dem Ausland geht es nicht mehr
Pflegeberuf benötigt dringend Aufwertung
Vechta, 24.4.2023: Bei einem Besuch der BBS Marienhain informierte sich Dr. Tanja Meyer, Landtagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen, über die Situation des Pflegeberufs.
Trotz vieler Möglichkeiten des Berufs seien die Bewerberzahlen zu niedrig, erklärte ihr Fachbereichsleiter Stefan Thierbach. Und leider gebe es kaum Finanzmittel, um für soziale Berufe zu werben. Um die Ausbildungsplätze an Berufsfachschulen und den Versorgungsbedarf stationärer Einrichtungen im Landkreis einigermaßen decken zu können, würden immer mehr Auszubildende aus dem europäischen Ausland angeworben, sagte Thierbach. „Themen wie Sprache, Mobilität, Wohnraum und Integration werden daher bei der Ausbildung immer wichtiger.“
Schülerinnen und Schüler des Fachbereichs berichteten über die Herausforderungen ihres Arbeitsalltags. Fehlende Pausenzeiten oder Ruhezeiten zwischen den Schichten, wenig freie Wochenenden, Personalnot - all das hat die Pandemie verstärkt. Ebenso hat sich der gesellschaftliche Blick auf dieses wichtige Berufsfeld negativ entwickelt. „Zum Teil müssen wir uns rechtfertigen, warum wir noch in diesem Beruf arbeiten. Dabei ist es viel mehr als nur Waschen,“ beschrieb es eine Schülerin. „Pflege ist eine Berufung. Im Umgang mit den Bewohnern geht mir das Herz auf. Das ist das einzige, das mich aktiv in dieser Arbeitsrealität hält und mich darin stärkt, meinem Traumberuf weiter nachzugehen,“ gab eine weitere Schülerin zu bedenken.
Weitestgehend kritisch bewerteten alle Vertreter der BBS die vor drei Jahren eingeführte generalistische Pflegeausbildung, die die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege in einer Ausbildung vereint. „Die Generalistik sorgt für viel Unmut und Unsicherheiten. Wir haben Angst, nicht mehr ausreichend für unseren späteren Beruf ausgebildet zu werden, da die Bereiche Altenpflege und Pädiatrie sehr speziell sind,“ sagte ein Schüler. Er habe den Eindruck, dass eine Gewöhnung an schlechte Arbeitsbedingungen stattfinde und die Politik diese zu wenig in den Blick genommen habe, sagte Prof. Dr. Franz Bölsker, Vorstand der Schulstiftung St. Benedikt. „Denn bisher läuft es ja noch!“ „Corona und der demografische Wandel haben ein schon lange vorhandenes Problem verschärft. Nun nimmt es eine zerstörerische Eigendynamik an,“ ergänzte Vorstandsmitglied Uwe Kathmann. Schulen in freier Trägerschaft würden in vielen Bereichen eine zu geringe Finanzierung durch das Land bekommen. Ihren gesellschaftlichen Auftrag könnten sie so nur schwer erfüllen, mahnte er.
„Der Fachkräftemangel zieht sich durchs System. Fachkräfte müssen wieder zurückgewonnen werden. Dafür muss die Attraktivität des Pflegeberufs gesteigert werden,“ fasste Tanja Meyer ihre Eindrücke zusammen. Als Ausschussmitglied für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung liegt ihr das Thema Pflege am Herzen. Mögliche Lösungsansätze, um den Beruf attraktiver zu gestalten, sieht sie einem niederschwelligen Zugang, einer neugestalteten Arbeitsrealität, einen Stufenplan bezüglich der unterschiedlichen Tätigkeiten sowie eine Entbürokratisierung. Die jungen Leute lud sie zu einem Besuch in den Landtag ein, um dort ein Forum mit dem Sozialministerium, dem Kultusministerium und weiteren Akteuren zu schaffen.
Hanne Hillemann
Foto (Hanne Hillemann): Tanja Meyer (2. Reihe 2.v.r.) mit Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Schulleitung der BBS Marienhain und Vertretern der Schulstiftung St. Benedikt.